Design, Typografie

Der Schusterjunge ist kein Hurenkind!

Freunde der Political Correctness müssen jetzt ganz tapfer sein. Die folgenden typografischen Satzfehler in gedruckten Texten haben vor langer Zeit ziemlich deftige Namen erhalten, die heute noch gebräuchlich sind. So weiß jeder Grafik-Profi sofort, was gemeint ist – allen anderen möchten wir diese ungezogenen Racker einmal vorstellen:

Der Schusterjunge

Er lungert vorwitzig am Ende einer Seite oder Textspalte herum und fängt als einzelne Zeile schon mal den nächsten Absatz an. Das darf er nicht, denn mit diesem ungebührlichen Verhalten stört er den Leserhythmus und die Ästhetik, was ihm aber herzlich egal ist. Erfahrene Gestalter bereiten dem Treiben schnell ein Ende und lassen den nächsten Absatz in der nächsten Spalte beziehungsweise auf der nächsten Seite anfangen. In letzter Zeit nennt sich der Schusterjunge manchmal auch Waisen- oder Findelkind, aber angesichts seiner Frechheit klingt das eigentlich viel zu harmlos.

Das Hurenkind

Was für ein bedauernswertes Wesen … Mutterseelenallein steht es als einzelne Zeile am Beginn einer Seite oder Spalte. Als letzter Satz eines Absatzes und ohne sichtbaren Kontakt zu ihm. Trotzdem ist Mitleid völlig fehl am Platz, und gute Grafiker stellen das Hurenkind gnadenlos vor die Wahl: Entweder gesellt es sich brav zu seinem Absatz, oder es holt sich zwei, drei Sätze zur Verstärkung auf die neue Seite. Klingt hart, ist aber nur zu seinem Besten, denn dank geschmeidigem Lesefluss und guter Optik achtet man nun auf das, was es inhaltlich zu erzählen hat. Neuerdings nennt sich das Hurenkind auch Witwe, aber das halten wir für eine ziemlich billige Mitleidsmasche.

 

Schusterjunge und Hurenkind haben übrigens noch weitere Fehler-Kumpels, die ihr Unwesen in Texten, Grafiken und Seitenlayouts treiben. Und man braucht schon viel Erfahrung, um sie dingfest zu machen – womit wir wieder beim Thema in puncto design wären.

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