Der Dachumbau hat im Außenbau die Gebäudepropor-
tionen erheblich verändert, was sich vor allem am neu
(und vereinfacht) ausgeführten Dreiecksgiebel zeigt.
Interessanterweise hatte man als Erinnerung an den
Ursprungsbau im neuen Giebel den alten Reliefstein mit
den gekrönten Initialen von König Ernst August wieder-
verwendet und zwar genau in der ursprünglichen Lage.
(Abb. 6)
Ungeklärt bleibt bisher, wer den 1838er-Entwurf für die
im damaligen Königreich Hannover einmalige Architek-
tur der Celler Landgestüts-Reithalle vorlegte. Der von
einigen Forschern als Urheber vorgeschlagene hanno-
versche Hofbaumeister Georg Ludwig Friedrich Laves
(1788–1864) war eine „Verlegenheitslösung“, die wohl
immerhin aussagen sollte, dass es ein bedeutender Archi-
tekt gewesen sein müsse.
Es gibt allerdings keine Belege für Laves’ Tätigkeit im
Landgestüt; Laves war auch nicht zuständig und hatte
übrigens eine ganz andere architektonisch-stilistische
Handschrift, so dass er sicher ausscheidet. Die Signa-
turen auf den beiden gezeigten bauzeitlichen Bauplänen
führen ebenfalls in die Irre, denn sie stammten aus dem
Oberlandbauamt Celle, das mit seinem Vorstand Karl
Friedrich Wilhelm Mithoff (1766–1852), dem Zeichner
Pampel und dem Bauleiter Heinrich Ludwig Krüger aus-
drücklich nur die technische Ausführung der Baustelle
übertragen bekommen hatte. Die Oberleitung zum Celler
Reithallenbau lag bei der zuständigen königlichen Domä-
nenkammer Hannover, deren Chefarchitekt Oberbaurat
Leopold Hagemann (1786 ? –1868) war, der auch den
Lageplan zum neuen Landgestüt und den Entwurf zum
großen Hengststall (dem später sogenannten Spörcken-
stall) vorlegte. Aber auch Hagemann hatte eine andere
architektonische Handschrift, so dass bis auf Weiteres
angenommen werdenmuss, dass er als Chefarchitekt für
diesen Spezialentwurf einen in Vergessenheit geratenen
Architekten hinzuzog.
Allerdings ist nachweisbar, welche Entwurfsvorbilder
der Unbekannte benutzte, denn Fassadenmotive und
Dachkonstruktion sind Übernahmen von etwas älteren,
großen klassizistischen Exerzier- und Militärreithallen,
die ab den 1820er Jahren inBerlin und Potsdam imUmfeld
der Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) und
ConradMartin ChristianHampel (1789–1842) entstanden
waren
(siehe Abb. 7/8, 9/10)
. Diese preußischen Hallen-
bauten waren in Musterzeichnungen veröffentlicht, so
dass man solche hierzulande offenbar als fortschrittlich
und vorbildlich angesehenenBauten nicht einmal persön-
lich gekannt haben muss.
Preußische Architektur ist hierzulande ab 1866 – nach
der Annexion des Königreichs Hannover – beimBau von
Repräsentationsbauten nach und nach zur Selbstver-
ständlichkeit geworden. Bei der klassizistischen Celler
Landgestüts-Reithalle gibt es ein knapp 30 Jahre älteres
Vorläuferbeispiel, dass den preußischen Architekturein-
fluss vorwegnahm.
: HISTORIE
Abb. 6:
Der 1839 von dem hannoverschen Hofsteinhauermeister
Täntzel für den Fassadengiebel gelieferte Reliefstein mit Königs-
krone und Initialen des Königs Ernst August I. weist noch Reste alter
Farbfassungen auf. Die eigentümlichen oberen Schrägen rühren von
der ursprünglichen Lage des Steins direkt unter dem früher tiefer
liegenden Dachfirst mit seiner flacheren Dachneigung; vgl. Abb. 2.
(Foto: E. Rüsch, 2015)
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* Anmerkung: Eine ausführliche Darstellung der Forschungsergebnisse – mit allen Quellenangaben
– können Interessierte nachlesen in: „Celler Chronik 23. Beiträge zur Geschichte und Geographie
der Stadt und des Landkreises Celle“, herausgegeben vom Museumsverein Celle e.V., Celle 2016,
S. 47-100.
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